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Pressemitteilung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Stolle und Scharmer vom 23.07.2013

Der Waffensachverständige im Fall Simsek hielt andere Fälle für vordringlich. Unterschiedliche Auffassungen der Verteidigung und der Nebenklage zur Vernehmung von Holger G. durch das BKA wurden thematisiert.

Der Verhandlungstag begann zunächst mit der Vernehmung des Gerichtsmediziners, der die Obduktion von Enver Simsek durchgeführt hatte. Daran, dass der Tod von Enver Simsek auf die Schussverletzungen – insbesondere den Kopfschuss – zurück zu führen ist, gibt es keine Zweifel.

Danach hörten wir den Waffensachverständigen, der versucht hatte, eine Tatrekonstruktion im Fall Simsek durchzuführen. Sechs bis sieben Schüsse aus der Ceska wurden auf den Getöteten abgegeben, wahrscheinlich danach und nicht gleichzeitig zwei Schüsse aus der Pistole Bruni. Der Waffensachverständige hatte über zwei Jahre – von 2000 bis 2002 - für die Erstellung seines nur wenige Seiten umfassenden Gutachtens gebraucht, weil andere Fälle „vorrangig“ bearbeitet wurden. Zudem scheint ein Video, welches über die Tatrekonstruktion erstellt wurde, nicht mehr auffindbar zu sein. Genauer könne er das heute nicht mehr nachvollziehen.

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

“Es ist bezeichnend, dass für insgesamt sieben Seiten Gutachten mehr als zwei Jahre durch den Sachverständigen benötigt wurden. Welcher Fall sollte im Vergleich zu dem ersten Mord einer Serie, die an türkischen und griechischen Migranten verübt wurde, vorrangig zu behandeln gewesen sein?“

Danach gab es von verschiedenen Seiten Erklärungen zur Aussage des Vernehmungsbeamten von Holger G. und der Würdigung dieses Beweisergebnisses für das weitere Verfahren. Die Verteidigung von Wohlleben meint weiterhin, dass die Aussage nicht verwertbar sei, weil sie weder den Angeklagten Carsten S. noch den Angeklagten Holger G. konfrontativ befragen konnte. Dabei verkennt sie jedoch, dass der Senat in der letzten Haftfortdauerentscheidung zu Wohlleben zutreffend darauf hingewiesen hat, dass diese fehlende Befragungsmöglichkeit hinsichtlich Holger G. und Carsten S. keine Frage der fehlenden Verwertung, sondern eine der besonders kritischen Würdigung ist. Diese führt nach derzeitigem Stand unter Berücksichtigung der weiteren aktenkundigen Beweismitteln zu keiner Entlastung von Wohlleben und Zschäpe.

Die Verteidigung von Carsten S. erklärte, dass sich für sie ergebe, dass Carsten S. an einer Richtungsdiskussion über den Einsatz von Gewalt, nicht beteiligt gewesen sei. Zschäpes Verteidiger meinen zudem, dass die Vernehmungen von Holger G. nicht „lege artis“ durchgeführt worden wären. Es wäre nicht wörtlich protokolliert worden, zudem sei selektiv aufgeschrieben worden, was für bedeutsam gehalten wurde, der Rest nicht. Es sei darauf basierend nicht möglich, die Glaubhaftigkeit der Angaben von Holger G. zu überprüfen.

Im Anschluss gab Rechtsanwalt Elberling eine gemeinsame Erklärung mit den Nebenklagevertretern Rechtsanwältin von der Behrens, Rechtsanwälten Ilius, Stolle und Scharmer ab. Da sich diese umfassend zur Aussage des Vernehmungsbeamten verhält, wird sie im Folgenden anonymisiert wörtlich wiedergegeben:

“In dem Strafverfahren gegen Beate Zschäpe u.a., 6 St 3/12

geben wir folgende Erklärung nach § 257 StPO zur Vernehmung des Zeugen KHK Sch. ab:

1. Die Aussage des Zeugen Sch. als Vernehmungsbeamter des Angeklagten G. zeigt, dass G.s Angaben zu stattgefunden äußerlichen Vorgängen glaubhaft sind.

Insbesondere sind die Angaben des Angeklagten G. insoweit nicht widersprüchlich, sondern konsistent. Wie sich aus der Aussage des Zeugen ergibt, hat der Angeklagte G. zwar einige Angaben nur zögerlich und nach konkreten Vorhalten gemacht, hat aber die einmal preisgegebenen belastenden Angaben zu den äußeren Tatumständen auch auf mehrfache Nachfrage und zu unterschiedlichen Zeiten gleichbleibend wiederholt.

Dies zeigt sich etwa am Beispiel der Waffenübergabe: Der Zeuge Sch. schilderte, dass, nachdem der Angeklagte G. die Waffenlieferung nach einiger Überwindung zugegeben hatte, er in den Vernehmungen vom 25.11.2011 und vom 01.12.2011 und bei der Ausantwortung zur Ortsbesichtigung gleichbleibende und widerspruchsfreie Angaben zu den Umständen gemacht hat.

Allenfalls hat der Angeklagte G. seine Angaben im Detail korrigiert, wenn er dachte, missverstanden worden zu sein – so z.B. die Angabe, Mundlos habe ihm einmal angeboten, mit einer Pumpgun zu schießen, die er dahingehend verbesserte, Mundlos habe jedenfalls den Eindruck erweckt, er würde ihn schießen lassen. Diese Korrektur zeigt jedoch nur das Bemühen des Angeklagte G. um ein korrekte Darstellung der Abläufe, da die Richtigstellung nicht mehr oder weniger belastend ist, als es die ursprüngliche Angabe war.

Auch zeigen die Angaben des Angeklagte G.s keine besonderen Belastungstendenzen gegenüber den übrigen Angeklagten. Vielmehr hat er auch Angaben, die andere Angeklagte belasteten, mitunter erst nach Konfrontation mit widersprechenden Tatsachen durch die Vernehmungsbeamten preisgegeben. Beispielhaft sind hier seine Angaben zu der Herkunft der 2.700 € auf seinem Konto. Die ursprüngliche unrichtige Angabe, das Geld stamme von seiner Mutter, geschah, um keine belastenden Angaben machen zu müssen. Erst nach wiederholtem Vorhalt gab er zu, dass die 2.700 € ein Teil der 10.000 DM seien, die er von der Angeklagten Zschäpe erhalten hatte.

Somit hat der Angeklagte G. zwar sein tatsächliches Wissen nur zögerlich preisgegeben, es gibt jedoch keine Hinweise, dass das, was er preis- und angegeben hat, unrichtig wäre.

An dieser Bewertung hat sich auch durch die Befragung des Zeugen durch die Verteidigung Zschäpe und die Verteidigung Wohlleben nichts geändert. Das bei der Befragung zum Ausdruck gekommene Desinteresse des Bundeskriminalamtes an konkreten Nachforschungen zu den vom Angeklagten G. gemachten, zum Teil auch andere Angeklagte erheblich belastenden Angaben ist allerdings aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar, es ist der Eindruck entstanden, dass das Bundeskriminalamt dem Angeklagten G. allzu bereitwillig die Rolle des ahnungslosen Freundes abgenommen hat, die dieser von sich gezeichnet hat, und diese nicht hinterfragt hat. Irgendwelche konkreten Aspekte, die die Glaubhaftigkeit seiner Angaben zu äußeren, auch die übrigen Angeklagten belastenden Tatsachen zu erschüttern geeignet wären, hat die Befragung durch die Verteidigungen jedoch nicht aufgeworfen.

2. Im Gegensatz zu den eingestandenen äußeren Umständen zeigt auch die Aussage des Zeugen Sch., dass die Angaben des Angeklagten G. zu seiner inneren Einstellung nicht nachvollziehbar und widersprüchlich sind und es erhebliche Hinweise gibt, dass er diese herunterspielt oder unrichtig darstellt.

a) In seiner schriftlichen Einlassung hatte der Angeklagte G. behauptet: „Für mich gab es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Drei über ihr Leben im Untergrund hinaus Straftaten begehen würden.“ Diese Einlassung konnte durch die Angaben des Zeugen Sch. widerlegt werden. Der Zeuge bestätigte in seiner Vernehmung, dass der Angeklagte G. in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 12.01.2012 angegeben hatte: „Als mir die 13.000 DM damals übergeben worden sind, sagten mir die Drei auf meine Frage hin, woher das Geld stamme, dass sie eine Möglichkeit zu leben gefunden hätten. Die Drei haben mir nicht ausdrücklich gesagt, woher das Geld stammt, aber ich bin davon ausgegangen, dass es nicht legal ist.“ Angaben zu Umständen, die diese Angaben als nicht glaubhaft erscheinen ließen, oder dazu, dass der Angeklagte G. diese später wieder korrigiert habe, machte der Zeuge Sch. nicht.

b) Auch die Einlassung des Angeklagte G., damals wie später habe er es "nicht für möglich gehalten, dass die Drei möglicherweise Gewalt in dem hier vorgeworfenen Ausmaß gegen andere ausüben könnten“, muss nach der Vernehmung des Zeugen Sch. als widerlegt angesehen werden.

Der Angeklagte G. hat in seiner Vernehmung vom 12.01.2012 die Richtungsdiskussion innerhalb des Nationalen Widerstandes Jena dargestellt: Böhnhardt, Mundlos und die Angeklagte Zschäpe seien die Hardliner und für eine Bewaffnung gewesen, er und der Angeklagte Wohlleben dagegen. Diese Diskussion wären nicht abgerissen und die Frage der Bewaffnung – wobei damit Schusswaffen gemeint gewesen seien, Messer und Knüppel seien auch für den Angeklagten G. anscheinend nichts Besonderes gewesen – sei immer mal wieder Thema gewesen.

Zwar habe der Angeklagte G. in derselben Beschuldigtenvernehmung gesagt, dass diese Diskussion für ihn theoretischer Natur gewesen sei. Dies muss jedoch als reine Schutzbehauptung gewertet werden. Er wusste nach den Angaben des Zeugen zum Zeitpunkt seiner Unterstützungshandlungen, dass in der Garage Rohrbomben gefunden worden waren, dass die Drei auch die Briefbomben, den Koffer mit dem Hakenkreuz und dem Sprengstoff und den Puppentorso zu verantworten hatten – und dass sie ein Waffenarsenal besaßen.

Der Angeklagte G. wollte einiges nicht wissen und war klug genug, nicht immer nachzufragen. In seiner Vernehmung am 25.11.2011 gab er an, der Angeklagte Wohlleben habe ihm, als er ihn wegen des Waffentransportes zur Rede gestellt hätte, gesagt, die Drei bräuchten die Waffe, es sei besser, wenn er nicht wisse, was die damit vorhätten.

An diesen Rat des Angeklagten Wohlleben, es sei besser, wenn er nicht mehr wüsste, hielt er sich. So gab er in der Vernehmung vom 17.01.2012 an, dass er die Drei nicht weiter fragte, was sie mit der Rohrbombe vorgehabt hätten und sich stattdessen mit der Antwort, sie hätten „keine konkreten Pläne“ mit den fertig gebauten Rohrbomben gehabt, zufrieden gab.

Gerade vor diesem Hintergrund spricht die Übergabe einer scharfen und geladenen Schusswaffe an "die Drei" für einen entsprechenden Vorsatz des Angeklagten G.. So hat der Zeuge bestätigt, dass G. in der Vernehmung am 25.11.2011 gesagt habe, "die Drei" hätten die Waffe in seinem Beisein ausgepackt und angesehen, einer der Uwes habe sie durchgeladen, es müsse also wohl auch Munition drin gewesen sind. Schließlich hat auch der Zeuge Sch. bestätigt, dass der Angeklagte G. in seiner Vernehmung am 25.11.2011 angegeben habe, zu den Dreien gesagt zu haben, man könne "sich nicht anmaßen, mit 5 Leuten die Welt zu retten." Diese Aussage habe er später relativiert und versucht darzustellen, dass er sich selbst nicht als einer dieser fünf verstanden habe. Letzteres hat der Angeklagte G. auch in seiner Einlassung vor Gericht und in der Erklärung seiner Verteidigung zur Vernehmung des Zeugen Dr. M. betont. Dort heißt es, es handele sich um eine "sinngemäße Wiedergabe einer Empörung des Angeklagten …, welche er vor etwa 10 Jahren gegenüber den Empfängern der Waffe abgab.“ Was damit gerade nicht in Frage gestellt wird, ist die Tatsache, dass G. bereits bei der Übergabe der Pistole wusste, dass Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe mit der Waffe "die Welt retten" wollten, dass sie sie also für ideologisch motivierte Straftaten einsetzen wollten.

c) Ein eindrückliches Beispiel dafür, wie der Angeklagte G. sein Wissen und seine Zugehörigkeit zur rechten Szene herunterspielt, sind auch seine unrichtigen Angaben zu dem letzten Urlaub mit den Dreien.

In seiner Vernehmung vom 17.01.2012 sagte er hierzu: „Der dritte Urlaub fand 2004 in Lübeck statt. Ich kann mich deshalb an das Jahr erinnern, weil sich in diesem Jahr Alex und Silvia kennengelernt haben.“ Dabei hat der Angeklagte G. das Datum beim Durchlesen seiner Vernehmung noch einmal handschriftlich von 2005 auf 2004 korrigiert.

Der Zeuge Sch. gab aber auf entsprechenden Vorhalt eines Vermerkes vom 26.06.2012 (...) an, die Ermittlungen hätten ergeben, dass der Angeklagte G. tatsächlich 2006 mit "den Drei" in Lübeck im Urlaub war. Der Zeuge spielte diesen Umstand herunter und sagte, der Angeklagte G. habe ja schon immer gesagt, dass er Probleme mit Daten habe, und habe sich einfach nur im Datum geirrt. Dabei übersah er, dass der Angeklagte G. die Jahreszahl ausnahmsweise mit einem konkreten Ereignis in Verbindung gebracht und sogar nachträglich handschriftlich korrigiert hat.

Allerdings ist dieser „Irrtum“ des Angeklagten G. zwangsläufig, denn nur so passte seine Geschichte, wie er sie bei der Darstellung seiner persönlich Verhältnisse und in seiner Einlassung erzählt hat: Dass er 2004 aus der Szene ausgestiegen sei und mit dem Kennenlernen seiner Lebensgefährtin ein neues Leben angefangen habe. In seiner schriftlichen Einlassung sagte er dazu: „Nachdem dann der Kontakt etwa im Jahr 2004 nach meinem Ausstieg aus der aktiven rechten Szene zunächst abriss, fanden die Besuche – soweit ich mich recht erinnere – nur noch bei mir in Hannover und Umgebung statt.“ Zu diesem mit dem angeblichen Ausstieg abgerissenen Kontakt hätte es natürlich nicht gepasst, dass er noch 2006 mit den Freunden aus der rechten Szene, die zu Hause ein Waffenarsenal hatten, Urlaub machte und sich von diesen den Urlaub bezahlen ließ – mit Geld, von dem er annahm, dass es nicht legal erworben worden war.

3. Die Behauptung des Angeklagten G., er habe von den Taten "der Drei" nicht gewusst und auch nichts geahnt, ist schon deshalb wenig nachvollziehbar, weil er Mundlos und Böhnhardt als durchaus mitteilungsfreudig darstellte und diese nach seinen Schilderungen sehr offen über strafbares Verhalten – von sich und von anderen – gesprochen haben.

So hat der Angeklagte G. in der Vernehmung vom 12.01.2012 und vom 17.01.2012 angegeben, "einer der Drei" bzw. "die Drei" haben ihm berichtet, der Sprengstoff, der in der Garage aufgefunden worden sei, stamme von Thomas S..

In der Vernehmung vom 12.012.2012 schilderte dem Zeugen zufolge der Angeklagte G., wie Mundlos ihm sogar eine illegal gekaufte Pumpgun zeigte und konkret berichtete, von wem er diese habe. Uwe sei „stolz" gewesen, habe sich richtig gefreut. Weiter: "Der Inhaber hat ihm – so Uwe – Waffen aus Chemnitz besorgt. Er sagte mir, dass der Inhaber ihm mehrere Waffen besorgt habe.“ Dieses Verhalten von Mundlos bekommt dadurch noch mehr Gewicht, dass dieser gerade dem Angeklagten G., der doch angeblich eine Bewaffnung ablehnte und seine Unterstützung schon bei Übergabe der Pistole in Frage gestellt hatte, die Pumpgun gezeigt und mit diesem freimütig über das Besorgen von Waffen gesprochen hatte.

Das Mitteilungsbedürfnis gerade zu den Themen Waffen und Sprengstoff war also anscheinend bei Mundlos und Böhnhardt groß und nicht immer kontrolliert.

Zu diesem Mitteilungsbedürfnis passt auch die Angabe des Angeklagten S. in der Hauptverhandlung, dass einer der Uwes dem Angeklagten Wohlleben am Telefon berichtet hat, sie hätten jemand angeschossen.

Vor diesem Hintergrund ist schließlich auch der von dem Angeklagten S. berichtete Sachverhalt, dass Böhnhardt und Mundlos ihm bei der Waffenübergabe von einem Anschlag in Nürnberg erzählten, dann aber beim Dazukommen der Angeklagten Zschäpe verstummten, stimmig. Er weist gerade nicht auf ein eingeschränktes Wissen der Angeklagten Zschäpe hin, sondern im Gegenteil auf deren kontrollierende Rolle: Die beiden Männer werden gewusst haben, dass Zschäpe ihre Geschwätzigkeit nicht gutheißen würde, und werden daher verstummt sein.

Zu dieser Rolle der Angeklagten Zschäpe passen auch die Angaben des Angeklagten G. gegenüber dem Zeugen, dass Zschäpe gegenüber Böhnhardt und Mundlos eine gleichberechtigte Position innehatte, insbesondere die Finanzen im Griff hatte, und dass sie allgemein eine durchsetzungsstarke und auch gewaltbereite Person war.

Der insgesamt sehr offene Umgang insbesondere von Böhnhardt und Mundlos mit strafbarem Verhalten weist ebenso darauf hin, dass zumindest der engere Kreis der Unterstützer "der Drei" durch Erzählungen "der Drei" Kenntnis von deren Taten hatte.

4. Schließlich beschreibt der Zeuge Sch. deutliche Anzeichen dafür, dass der Angeklagte G. noch immer nicht alles berichtet hat, was er weiß, und dass er auch seine eigene Rolle im Zusammenhang mit dem NSU weitaus geringer darstellt, als sie tatsächlich war.

Besonders plastisch wird dies am Beispiel der Besuche G.s in der Wohnung in der Polenzstraße in Zwickau. Hier hat der Zeuge eindringlich geschildert, wenn der Angeklagte G. wirklich nur zweimal dort gewesen sei, müsse er ein phänomenales Ortsgedächtnis haben, da die Wohnung nicht leicht zu finden war. Er bezog seine Einschätzung, der Angeklagte G. sei mehrfach in der Wohnung gewesen, auch auf Detailäußerungen G.s wie etwa, die Wohnung sei "jedes Mal", wenn er dort gewesen sei, aufgeräumt gewesen – eine Formulierung, die nicht benutze, wer nur zweimal in einer Wohnung gewesen sei. Schließlich zeige auch die Kenntnis G.s vom Aufbau der Wohnung, dass er mehr als zweimal dort gewesen sein muss. Welche weiteren Aspekte es sind, die der Angeklagte G. noch zurückhält, wird im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung noch zu ermitteln sein.“

Am Nachmittag wurde ein weiterer BKA-Beamter gehört, der Holger G. am Tag seiner Festnahme, dem 13 November 2011, vernommen hatte. Wiederum wurde deutlich, dass die BKA-Beamten eine ganze Reihe von naheliegenden Fragen nicht gestellt haben. Holger G. schien von den „Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden“ - gemeint waren wohl Auskünfte des Thüringer Verfassungsschutzes – über seine Unterhaltungen insbesondere mit Wohlleben über das Untertauchen der Drei in den 90iger Jahren, nicht überrascht gewesen zu sein. Jedenfalls hat er keine Überraschung gezeigt oder nachgefragt, woher diese Informationen stammen.

Am Ende des heutigen Verhandlungstages hörten wir noch den Vernehmungsbeamten einer Nürnberger Zeugin im Fall Özüdogru. Diese hatte sich zuvor bei ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung in Widersprüche zu ihren damaligen Angaben verwickelt. Nun wurde geklärt, was sie zum damaligen Zeitpunkt den Ermittlungsbehörden mitgeteilt hatte. Die Aussage dieser Zeugin dürfte demnach für die Tatfeststellungen keine aktuell nachvollziehbare Relevanz mehr haben.