Pressemitteilung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Stolle und Scharmer vom 24. September 2013
Aufgefundene Zeitungsartikel aus der Frühlingsstraße deuten auf lokale Unterstützer des NSU hin. Die Beweisaufnahme zum Mord an Theodoros Boulgarides hat begonnen.
Der Verhandlungstag begann mit der Fortsetzung der unterbrochenen Vernehmung des leitenden Brandermittlers, der die Spuren in der Frühlingsstraße untersucht hat. Als Zündquelle der Explosion kann nicht ausgeschlossen werden, dass die aufgefundenen Teelichter auf dem Boden des Flures und der Küche das entstandene Benzin-Luftgemisch zeitverzögert zur Explosion gebracht haben. In der Wohnung stellte man ferner verschiedene Hüllen mit Zeitungsartikeln sicher. Diese waren durch die Bewohner nach den Mordfällen und Anschlägen sortiert und nummeriert worden. Auffällig ist, dass es sich überwiegend um Artikel aus kleinen regional begrenzt an den Tatorten erhältlichen Zeitungen handelt, teilweise erst mehrere Tage nach den jeweiligen Taten veröffentlicht.
Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:
“Es erscheint fern liegend, dass Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und ggf. auch Beate Zschäpe nach ihren Morden und Anschlägen noch länger an den jeweiligen Tatorten blieben, um Zeitungsartikel aus lokalen Medien zu sammeln. Ebenso wenig wahrscheinlich ist es, dass all diese Regionalzeitungen bzw. Regionalteile – beispielsweise aus Köln, München oder Nürnberg - in Zwickau erhältlich waren. Es liegt nahe, dass Unterstützer des NSU vor Ort die Zeitungsartikel sammelten und an das Trio weitergaben. Es ist daher dringend erforderlich, konzentriert weitere Ermittlungen zu lokalen Unterstützern und dem Netzwerk des NSU anzustellen. Für Gamze Kubasik ist es ein wichtiges Anliegen, aufzuklären, wer – auch vor Ort – mitverantwortlich für die Auswahl ihres Vaters als Tatopfer, die Vor- und Nachbereitung der Tat ist.“
Am Nachmittag wurde der ehemalige Geschäftspartner von Theodorus Boulgarides vernommen. Er hatte mit diesem erst zwei Wochen vorher einen Schlüsseldienstladen eröffnet. Am 15. Juni 2005 fand er seinen Kollegen, nachdem er ihn telefonisch nicht mehr erreichen konnte, erschossen gegen 19 Uhr vor. Eigentlich hätte er selbst an diesem Tag arbeiten sollen. Theodoros sei ein gelassener Mensch gewesen, immer auf Frieden ausgerichtet. Er sei oft für einen Türken gehalten und auch auf türkisch angesprochen worden. Für die Angehörigen bedeutete die Tat die „totale Zerstörung“. Mutter und Bruder seien zunächst nach Griechenland zurückgekehrt, da sie hier keine Existenzgrundlage mehr sahen. Die Mutter habe unter Angstzuständen gelitten. Er sei immer wieder von der Polizei vernommen und schikaniert worden. Die haben sie „in den Dreck ziehen wollen“. Er habe für den Tag ein Alibi gehabt, trotzdem habe man ihn verdächtigt. Er habe das nicht verstanden. Auch habe er Kunden durch diese Situation verloren.
Rechtsanwalt Stolle erklärt dazu:
“Wie bei allen anderen Mordfällen waren auch im Fall Boulgarides die Ermittlungen der Polizei vorurteilsbehaftet gewesen. Durch die Tat verloren die Familie und die Bekannten ihren Vater, Sohn, Ehemann, Kollegen und Freund, den alle als ruhig, ausgeglichen und freundlich beschrieben. Durch die Ermittlungen wurden sie erneut und langwierig traumatisiert. In den Vernehmungen wurde versucht, den Ermordeten „in den Dreck zu ziehen“ und die Zeugen gegeneinander auszuspielen. Trotzdem Theodoros Boulgarides schon das siebente Opfer der Mordserie war, suchte die Polizei wieder nach einem Motiv für eine Beziehungstat – als ob Serienmorde in diesem Bereich begangen werden würden.“
Im Anschluss sagte noch ein Beamter des Kriminaldauerdienstes aus, der Theodoros Boulgarides aufgefunden und die erste Tatortarbeit veranlasst hatte. Ein weiterer Beamter wurde zur Eingrenzung der Tatzeit befragt.
|