Presseerklärung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Sebastian Scharmer und Peer Stolle vom 25. September 2013
Halit Yozgat wurde ermordet als sich mindestens fünf Kunden in seinem Internetcafé befanden
Die Hauptverhandlung wurde heute anfangs zur Auffindesituation und dem Tatortbericht hinsichtlich des Mordes an Theodoros Boulgarides fortgesetzt. Zunächst sagte der spurensichernde Polizeibeamte aus und schilderte anhand von Fotos, wie man die Leiche in einer Blutlache im Laden aufgefunden habe. Der Laden war von außen gut einsehbar, fast alle 5 Minuten hielt ein Bus in unmittelbarer Nähe des Geschäfts. Der danach vernommene Rettungssanitäter war als erster vor Ort, konnte aber nur noch den Tod feststellen.
Im Anschluss wurde der Rechtsmediziner vernommen, der die Obduktion von Thedoros Boulgarides durchgeführt hatte. Er starb an drei Schüssen in den Kopf. Mindestens ein Schuss traf ihn im stehen, mindestens ein weiterer als er schon am Boden lag. Ein ballistischer Sachverständige erklärte ferner, dass es aufgrund der Spurenlage wahrscheinlich ist, dass die Waffe in eine Plastiktüte gehüllt war.
Danach begann die Beweisaufnahme zum Mord an Halit Yozgat. Ein Kriminalbeamter aus Kassel schilderte, dass Halit Yozgat am 6. April 2006 erschossen in seinem Internetcafé in Kassel von seinem Vater aufgefunden wurde. Er mußte während des laufenden Betriebs ermordet worden sein. Kunden waren in den Telefonzellen und Computern des Ladens dabei anwesend. Ein Zeuge schilderte, dass er mehrere Knallgeräusche wahrgenommen habe, wie von platzenden Luftballons. Einen Mann habe er schemenhaft aus dem Laden huschen sehen. Näher beschreiben konnte er ihn nicht. Ein leitender Kriminalbeamter aus Kassel betonte, dass er der Familie erklärt habe, dass sie unbedingt jeder Spur nachgehen müßten und deswegen in der Familie und deren Umfeld umfangreiche Ermittlungen anstrengen würden. Trotz langwieriger Ermittlungen in diese Richtung, habe man nichts finden können. Halit Yozgat sei einfach ein netter, freundlicher, kumpelmäßiger Typ gewesen. Man habe nach intensiver Suche nichts gefunden, was in Richtung familiäres Motiv, Drogen oder organisierte Kriminalität hindeute. Man habe angeblich ein vertrauensvolles Verhältnis zur Familie gehabt, abgehört habe man sie trotzdem und auch einen verdeckten Ermittler eingesetzt. Täter mit einem rassistischen Tatmotiv suchte man nicht, obwohl der Vater von Halit Yozgat ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass für ihn nur ausländerfeindliche Motive in Betracht kommen.
Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:
“Nur zwei Tage nach dem Mord an Mehmet Kubasik wurde Halit Yozgat erschossen, während mindestens fünf Kunden in seinem Internetcafé anwesend waren. Im Kiosk von Mehmet Kubasik war eine Überwachungskamera offen sichtbar. Die Täter konnten nicht wissen, dass die Aufzeichnung nicht funktionierte. Bei beiden Taten war das Entdeckungsrisiko eklatant hoch, was den NSU offensichtlich nicht abschreckte. Im Gegenteil, man könnte das auch als Botschaft verstehen: Wir kommen am helllichten Tag und bringen euch um, uns schreckt nichts ab, niemand ist vor uns sicher.“
Rechtsanwalt Stolle erklärt dazu:
“Trotzdem Halit Yozgat das neunte Opfer der Mordserie war, kam die Polizei in Kassel nicht auf die Idee, nach rechten Tätern zu suchen. Stattdessen suchte man mit allen Mitteln das Tatmotiv in der Familie, der Organisierten Kriminalität und im Drogenhandel – machte die Familie somit zum zweiten mal zum Opfer. Noch heute betont der leitende Beamte, dass diese Ermittlungen richtig, notwendig und in alle Richtungen, obwohl es keinerlei Ermittlungen im Hinblick auf ein rassistischen Motiv gab. Das ist nicht nur ein erneutes Beispiel für institutionellen Rassismus, sondern auch für das immer noch fehlende Problembewusstsein der Polizei.“
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