Presseerklärung vom 15.05.2013
Gericht erwägt Abtrennung des Komplexes Keupstraße
Schon am gestrigen Hauptverhandlungstag hat der Vorsitzende RiOLG Götzl angedeutet, dass eine Abtrennung des Komplexes Keupstraße in Betracht zu ziehen sei, wenn sich noch weitere Nebenkläger der Anklage anschließen würden. Heute Nachmittag wurde den Prozessbeteiligten Möglichkeit der Stellungnahme gegeben. Seitens der Nebenklage wird vor allem befürchtet, dass nach einer Abtrennung der Keupstraßen-Komplex gem. § 154 StPO eingestellt werden würde. Diese Norm bietet die Möglichkeit einer Einstellung, wenn im Hinblick auf eine bereits erfolgte Verurteilung eine in einem weiteren Verfahren zu erwartende Strafe diese "nicht beträchtlich ins Gewicht fallen würde". Sollte die Angeklagte Zschäpe u. a. wegen zehnfachen mittäterschaftlichen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt werden, wäre eine Einstellung des abgetrennten Verfahrens Keupstraße zu erwarten.
Sebastian Scharmer erklärt dazu: "Es wäre ein fatales Zeichen, das Verfahren bzgl. des Anschlags in der Keupstraße abzutrennen. Zwei Prozesse parallel würden nicht geführt werden. Im "besten Fall" würde eine weitere Verhandlung wegen dieses Anschlags erst in Jahren stattfinden können. Im wahrscheinlicheren Fall könnte dieses Verfahren in Jahren sogar eingestellt werden. Dabei macht ein solches Vorgehen auch prozessökonomisch keinen Sinn, denn eine Aufklärung der Vorwürfe aus der Keupstraße müsste dennoch auch im weiter laufenden Prozess erfolgen, weil die Tatbeiträge insbesondere von Frau Zschäpe nicht isoliert betrachtet werden können."
Rechtsanwalt Stolle erklärt weiter: "Der Anschlag in der Keupstraße war von der Vorbereitung, Planung und Durchführung sehr aufwändig und umfangreich. Er hatte zentrale Bedeutung für den "NSU". Dieser Anschlag wäre daher auch nach einer Abtrennung zentraler Teil der hiesigen Beweisaufnahme. Die einzelnen Anschläge des "NSU" sind Teil eines mörderischen rassistischen Gesamtplanes. Eine Abtrennung wäre weder sachdienlich, noch prozessökonomisch sinnvoll."
Die Verhandlung am 15. Mai 2013 war zunächst geprägt von Anträgen der Verteidigung Wohlleben, das Verfahren auszusetzen bzw. wegen eines "nicht behebbaren Verfahrenshindernisses" einzustellen. Von der Verteidigerin von Wohlleben, Rechtsanwältin Schneiders, wurde eine Unvollständigkeit der bisher der Verteidigung zur Verfügung gestellten Akten moniert. Bis zur Beiziehung der fehlenden Akten sei das Verfahren auszusetzen. In einem zweiten Antrag beantragte die Rechtsanwältin Schneiders die Einstellung des Verfahrens wegen einer angeblichen medialen Vorverurteilung des Angeklagten Wohlleben und einer Verwicklung der Geheimdienste, woraus sich ein nicht behebbares Verfahrenshindernis ergebe. Begründet wurde der Antrag u. a. mit einer Aussage der Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer der Straftaten und ihren Angehörigen, Frau Barbara John, die im Zusammenhang mit den verfahrensgegenständlichen Taten von "rassistischen Verbrechen" gesprochen hat.
Rechtsanwalt Scharmer nimmt zu dem Einstellungsantrag wie folgt Stellung: "Er ist rechtlich und tatsächlich nicht haltbar. Ein Verfahren, das die Beihilfe zum rassistischen und heimtückischen neunfachen Mord zum Gegenstand hat, nur deswegen einzustellen, weil einige Boulevardmedien eine Vorverurteilung der Angeklagten betreiben, ist absurd."
Rechtsanwalt Stolle erklärt dazu ergänzend: "Es ist richtig, dass die Sicherheitsbehörden, insbesondere der Verfassungsschutz, ihren Anteil an der Entstehung und Existenz des "NSU" haben. Dies stellt aber kein nicht behebbares Verfahrenshindernis dar, das eine Einstellung des Verfahrens rechtfertigen könnte. Vielmehr muss das Wirken der Geheimdienste aufgeklärt werden - auch im Rahmen dieses Prozesses."
Im Anschluss daran gab es eine längere Auseinandersetzung zwischen der Verteidigung von Frau Zschäpe, dem Vorsitzenden Götzl und Vertretern der Nebenklage um das Rederecht.
Am Nachmittag stellte der Verteidiger von Zschäpe, Rechtsanwalt Heer, diverse Anträge, die u. a. die Aussetzung, hilfsweise Unterbrechung der Hauptverhandlung zum Gegenstand hatten, weil der Verteidigung nicht die vollständigen Akten, die der Bundesanwaltschaft vorliegen, zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt wurden. Dies beträfe ebenso die Vernehmungsprotokolle der diversen Untersuchungsausschüsse. Außerdem wurde die Ablösung der Vertreter der BAW, StA Diemer und StA Greger beantragt.
Schließlich gab es noch Anträge seitens der Verteidigung und der Nebenklage, die Aussagen akustisch aufzunehmen und anschließend verschriftlicht den Verfahrensbeteiligten zur Verfügung zu stellen.
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