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Pressemitteilung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Stolle und Scharmer vom 21.01.2014

Der Verfassungsschützer Andreas T. hatte im Internetcafé von Halit Yozgat eine Plastiktüte mit einem schweren Gegenstand dabei – seine bisherigen Aussagen erscheinen immer widersprüchlicher.

Der Truppführer von Michele Kiesewetter und ihrem Kollegen – ein mutmaßliches Ku-Klux-Klan-Mitglied - könnte die Streife zum Tatort an der Theresienwiese beordert haben – er ist bislang aber nicht als Zeuge im Prozess geladen.

Susan E., die Ehefrau des Angeklagte André E. und mutmaßliche Unterstützerin des NSU machte am Beginn der heutigen Verhandlung vollumfassend von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Auch ihre Beschuldigtenvernehmung aus der Akte, die allerdings auch keine Angaben zur Sache enthielt, will sie nicht in das Verfahren eingeführt sehen.

Im Anschluss sagte ein Zeuge aus, der während des Mordes an Halit Yozgat in dessen Internetcafé anwesend war. Der damals noch jugendliche Mann erklärte, dass er zum Computerspielen im Internetcafé war. Halit Yozgat kannte er länger, war mit ihm quasi befreundet. Nach der langen Zeit konnte er sich nicht mehr genau an die Sache erinnern. Er wusste aber noch, dass er während des Spielens im Hinterzimmer ein dumpfes Geräusch gehört hatte. Er hatte sich zwar kurz erschreckt, hatte es aber einem herunterfallenden Gegenstand zugeordnet. Wenig später erschien der verzweifelte Vater von Halit Yozgat und rief, sein Sohn sei tot. Er versuchte noch erste Hilfe zu leisten, erinnert sich noch an das Blut am Kopf und seinen Händen.

Unter anderem war ein großer deutscher Mann mit kurz geschorenen Haaren anwesend, auf den die Beschreibung des hessischen Verfassungsschutzmitarbeiters Andreas T. passt. Der hatte eine Aldi- oder Lidltüte dabei, in der ein schwerer Gegenstand gewesen sei. Der Mann sei vor Ablauf der bezahlten Zeit vom PC aufgestanden und schnell nach vorn gelaufen. Kurze Zeit – weniger als zwei Minuten - später sei das Geräusch gewesen.

Der Zeuge konnte das Geschehen schwer verarbeiten, er aß nichts mehr, wurde für mehrere Wochen in die Kinder- und Jugendpsychiatrie eingewiesen. Auch danach konnte er das Geschehen nicht richtig verarbeiten.

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

“Auch wenn die Aussage des Zeugen Abu T. nach fast acht Jahren von Erinnerungslücken geprägt war, beschreibt er nachvollziehbar seine Wahrnehmungen. Diese stehen an vielen Punkten im Widerspruch zur Aussage des Verfassungsschutzmitarbeiters Andreas T. Es ist dringend notwendig, aufzuklären, warum Andreas T. sich in immer mehr Widersprüche verwickelt. Seine Rolle ist unklar. Er ist offensichtlich nicht gewillt Licht in das Dunkel zu bringen. Es müssen endlich alle Akten zu Andreas T. beigezogen werden. Nur so kann überhaupt versucht werden, das Geschehen in Kassel aufzuklären.“

Am Nachmittag wurde die Beweisaufnahme zum Fall Kiesewetter fortgesetzt. Dazu hörten wir zunächst einen ehemaligen Kriminalbeamten aus Heilbronn. Er hatte erste Feststellungen dazu getroffen, wer von der Einheit Kiesewetters an diesem Tag eingesetzt worden war. Insgesamt waren 15 Beamten eingesetzt gewesen. Seine Informationen hatte er insbesondere von dem Polizeiobermeister H., der später mit seiner Zugehörigkeit zum „Ku Klux Klan“ aufgefallen ist. Außer Michele Kiesewetter und ihrem Kollegen hatte an diesem Tag niemand die Theresienwiese – den späteren Tatort – angefahren. Polizeiobermeister H. sei zusammen mit einem Kollegen Truppführer an diesem Tag gewesen, habe eingeteilt, wann und wo der Einsatz beendet werden soll und die Details bestimmt.

Rechtsanwalt Stolle erklärt dazu:

“Beide Truppführer des Einsatzes von Michele Kiesewetter und ihrem überlebenden Kollegen sind bislang nicht als Zeugen geladen. Das muss sich dringend ändern. Es ist für die Aufklärung der Mordserie zwingend erforderlich, zu ermitteln, ob der Streifenwagen von Kiesewetter die Anweisung hatte, zur Theresienwiese zu fahren. Es ist zu klären, ob genau die beiden Polizeibeamten, von denen zumindest einer mutmaßlich Ku Klux Klan Mitglied war, vom Aufenthaltsort der Streife wussten und diese Information ggf. weitergegeben haben können. Nur so wird man aufklären können, ob Michele Kiesewetter ein Zufallsopfer war oder bewusst persönlich ausgesucht wurde.“

Im Anschluss hörten wir einen Zeugen, der in unmittelbarer Nähe zum Tatort an der Theresienwiese zwei Männer in Fahrradkleidung mit Mountenbikes gesehen hatte. Diese hatten sich angeregt unterhalten. Später hörte er einen lauten Knall. Er dachte aber, dass ein Autoreifen geplatzt war. Gesehen habe er durch die dichten Büsche nichts. Erkannt habe er die Männer allerdings nicht. Da sie einen Helm trugen, könne er die Gesichter nicht mehr beschreiben. Sie seien schlank und ein wenig größer als er, so über 1,80 m groß gewesen.

Ein weiterer Zeuge aus Heilbronn berichtete, dass er beim Vorbeifahren mit dem Fahrrad ein Polizeiauto gesehen hatte, bei dem die Türen offen standen. Jemand hing aus der Tür. Das kam ihm komisch vor. Als er näher hinsah, stellte er fest, dass alles voll Blut war. Er hatte kein Handy dabei, suchte das nächste Taxi und gab den Notruf ab. Das sei kurz nach 14:00 Uhr gewesen. Auf dem Radweg sei sehr viel los gewesen. Er habe aber nur ein älteres Ehepaar konkret im Gedächtnis, habe auf die Menschen nicht konkret geachtet.

Zwei weitere Zeugen schilderten, dass sie das Polizeiauto sahen. Es sei ein normaler Pausenort für Polizeistreifen gewesen, weshalb sie sich erst nichts weiter dabei gedacht hätten. Dann hätten sie den blutenden Körper einer Polizistin aus dem Auto heraushängen sehen und hätten einen Taxifahrer gebeten, die Polizei zu rufen.

Am morgigen Hauptverhandlungstag wird die Beweisaufnahme zum Mord und Mordversuch in Heilbronn fortgesetzt.