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Pressemitteilung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Stolle und Scharmer vom 22.01.2014

Ehemalige Ku-Klux-Klan Mitglieder, darunter der Truppführer von Michéle Kiesewetter, entlasten sich gegenseitig – das BKA glaubt ihnen faktisch blind.

Der heutige Verhandlungstag beschäftigte sich ausschließlich mit dem Mord an Michéle Kiesewetter und dem Mordversuch an ihrem Kollegen. Zunächst sagte ein Gerichtsmediziner und Physiker aus. Er rekonstruierte anschaulich die Schusskanäle. Zudem analysierte er, ob die auf der Hose von Mundlos gefundenen Blutspuren bei der Schussabgabe auf Michéle Kiesewetter entstanden sein können. Im Ergebnis legte er plausibel dar, dass die Schussabgabe wahrscheinlich bei geöffneten Türen – zumindest bei geöffneter Beifahrertür - erfolgte, die Täter in etwa die Größe von Mundlos und Böhnhardt gehabt haben können und die Spritzer an der Hose von Mundlos zwanglos in Einklang mit dem tödlichen Schuss auf Michéle Kiesewetter zu bringen sind.

Ein weiterer Zeuge sagte aus, er hätte auf dem staubigen Vorplatz der Theresienwiese noch ein Taxi wegfahren gesehen. Da stand ein Streifenwagen. Zwei Polizeibeamte hingen aus den Türen. Er wollte noch den Notruf wählen, da kamen aber schon Polizisten und schickten ihn weg. Seine Personalien nahmen sie nicht auf. Er meldete sich von sich aus im Nachhinein noch einmal bei der Polizei und sagte aus. In der Nähe des Tatorts sah er einen jungen Mann mit Fahrrad.

Ferner hörten wir einen Polizeibeamten, der am 04.11.2011 nach dem Brand des Wohnmobils die Tatortsicherung unterstützte. Er kümmerte sich um die erste aufgefundene Waffe. Er war erstaunt über die „topaktuelle“ Pistole, die auch von Behörden verwendet wird. Dies bestätigte sich, nachdem er die im Lauf befindliche Munition entnahm: Polizeibestand. Die sofortige Fahndungsabfrage mit der Seriennummer der Pistole ergab einen Treffer mit der bei Martin A. beim Anschlag in Heilbronn gestohlenen Waffe, weshalb er unverzüglich die Einsatzleitung informierte. Er stellte noch weitere Waffen, u.a. eine Pumpgun Winchester und die durchgeladene Dienstwaffe von Michéle Kiesewetter sicher.

Am Nachmittag wurde ein Beamter des LKA BW vernommen. Er erklärte, dass ca. 14:30 – 14:38 Uhr am Tattag in Heilbronn ein Wohnmobil mit Chemnitzer Kennzeichnen im Rahmen der Ringfahndung festgestellt worden sei. Dies sei auf die Personalien „Holger G.“ zunächst vom 16. - 19.04.2007 angemietet worden. Ein Nachmieter für das Wohnmobil konnte erst ab dem 27.04.2007 festgestellt werden. In der Zwischenzeit gab es offensichtlich eine Verlängerung der Mietzeit des „Holger G.“. Wann und wie diese Verlängerung erfolgt ist, konnte er mangels Unterlagen des Vermietungsbetriebs nicht genau festgestellt werden.

Ein Sachverständiger des BKA sagte ferner zur sichergestellten Tatwaffe „Random“, einer alten Wehrmachtspistole, aus. Diese war im Brandschutt in der Frühlingsstraße in Zwickau aufgefunden worden. Mit ihr wurde Michéle Kiesewetter erschossen.

Die Untersuchung der Schmauchspuren am Tatort in Heilbronn, die ein weiterer Sachverständiger des LKA BW vorstellte, ergab ferner, dass der Schuss, der Martin A. traf von näherer Distanz abgegeben wurde, als der auf Michéle Kiesewetter. Zudem war eine erhebliche Krafteinwirkung notwendig, um die Waffe aus dem Holster zu entfernen, ohne den vorgesehenen Sicherheitsmechanismus zu betätigen.

Im Anschluss sagte ein BKA Beamter aus Meckenheim aus. Er hatte festgestellt, dass Michéle Kiesewetter ihren Dienst getauscht hatte. Er hatte weiter auch Ermittlungen dazu angestellt, wer in der Einheit der BFE beim Ku-Klux-Klan (KKK) gewesen sei. Timo H., der Truppführer von Kiesewetter und Martin A., erklärte, dass in den Jahren 2001/2002 tatsächlich Mitglied beim KKK gewesen sei. Die Gruppe des KKK sei allerdings 2002, lange bevor Kiesewetter in die Polizei eintrat, aufgelöst worden. Auch der ehemalige Chef der KKK Gruppe, Achim S., sei dazu vernommen worden und hätte die Angaben bestätigt. Auch in dieser Gruppe des KKK sei ein Thomas R. gewesen – der gleiche, der auf der so genannten „Garagenliste“ des NSU stand. Dieser behauptete, er habe keinerlei Verbindung zum NSU, habe nur mit rechten Szeneartikeln gehandelt. Die Planung des Einsatzes am 25.04.2007 hätte Timo H. nicht vorgenommen, obwohl er Zugführer war. Er hätte keinen Kontakt zu Kiesewetter und A. gehabt. Die Theresienwiese sei ein beliebter Pausenort für Beamte der BFE Böblingen, nicht jedoch für Beamten der PD Heilbronn selbst gewesen.

Auf mehrfache Nachfragen der Nebenklage ergab sich, dass der BKA Beamte im Wesentlichen Akten ausgewertet hatte. Aus eigener Kenntnis konnte er wenig zur Aufklärung beitragen. Warum er bestimmte Dinge für glaubhaft hielt, begründete er im Wesentlichen damit, dass keine anderen Anhaltspunkte gefunden worden seien. Welche Ermittlungen dazu wer veranlasst hat, konnte er in weiten Teilen nicht wiedergeben. Die Ergebnisse der immer noch tätigen „EG Umfeld“ des LKA Baden-Württemberg, die Bezüge von Heilbronn zum NSU untersuchen soll, seien ihm nicht bekannt

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

“Das BKA ist der Spur einer möglichen Organisation zumindest eines Polizeibeamten von Michéle Kiesewetter nach dem Ende seiner Mitgliedschaft im Ku-Klux-Klan in der rechten Szene nicht wirklich nachgegangen. Vielmehr hält es die Angaben der zumindest ehemaligen Rechtsextremisten deshalb für glaubhaft, weil sie sich gegenseitig stützen. Das kann gerade im Hinblick auf die weiteren vorhandenen Spuren – insbesondere der sog. Garagenliste des NSU – nicht nachvollzogen werden. Eine Auswertung der Kontakte des Timo H. Zur rechten Szene im Jahr 2007 fand offensichtlich genauso wenig statt, wie Ermittlungen, welche dienstlichen Bezüge Michéle Kiesewetter, die bei etlichen rechten Demonstrationen eingesetzt gewesen sein soll, zur Neonaziszene hatte.“

Der BKA Beamte erklärte weiter, dass sich im Rahmen der Asservatenauswertung in der Frühlingsstraße in Zwickau ergeben habe, dass verschiedene Fotos aus Baden-Württemberg stammen und u.a. Böhnhardt sowie verschiedene potentielle Ausspähungsobjekte zeigen. Ausgewertete Stadtpläne aus Stuttgart ergaben unter anderem auch mit „P“ gekennzeichnete aktuelle und ehemalige Polizeidienststellen.

Ferner seien Videoaufnahmen vom Heilbronner Hauptbahnhof ausgewertet worden. Die Bilder hätten allerdings schlechte Qualität gehabt, so dass ein Nachweis der Übereinstimmung mit dem Trio nicht möglich sei.

Am morgigen Hauptverhandlungstag wird die Beweisaufnahme mit der Vernehmung des Vaters von Uwe Böhnhardt fortgesetzt.