Pressemitteilung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Stolle und Scharmer vom 27.02.2014
Mandy S. - Die Unterstützerin des NSU, die von nichts gewusst haben will.
Die Vernehmung von Mandy S. vom gestrigen Tag wurde fortgesetzt. Zunächst wurde ein Ausweisantrag vorgelegt, den die Zeugin als den identifizierte, auf dem ihre Unterschrift im Feld der Abholung ersichtlich ist. Dabei äußerte die Zeugin, dass ihr dieses Blatt gar nicht aus den Akten bekannt sei. Ihre Akten würde sie über die Einsicht durch ihren Rechtsanwalt kennen. Bilder könne sie heute nicht mehr zuordnen. Sie habe ja auch soviel aus den Medien gesehen.
Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:
“Wir wüßten gern, mit welchem Aktenmaterial sich die Zeugin auf ihre gerichtliche Vernehmung vorbereitet hat. Dann ließe sich auch die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben besser einschätzen, denn ihre Aussage wirkt so, als würde sie strategisch bestimmte Dinge verschweigen. Allerdings gewährt uns der Generalbundesanwalt in diese Akten keine Einsicht und das Gericht zieht die Unterlagen nicht bei, weil wir nicht im Detail vortragen können, was der Inhalt ist – wie auch?“
Mandy S. schilderte dann ihre verschiedenen Wohnanschriften nach 1997 – in Sachsen sowie in Bayern. Sie wohnte dort jeweils mit verscheidenen Führungspersonen aus der Naziszene zusammen. Unter anderem mit Thomas S. aus Chemnitz sei sie gut befreundet gewesen. Auch mit Matthias F. aus Nürberg und seiner Freundin Tanja aus der dortigen rechtsextremen Szene war sie, wie mit vielen anderen Nürnberger Neonazis bekannt. Heute habe sie keine Freunde mehr aus der rechten Szene, hänge eher mit den Freunden ihres jüngeren Bruders ab.
An den damaligen rechten Aktivitäten hätte sie nur am Rande teilgenommen. Sie habe ja auch Vollzeit arbeiten müssen, da habe sie keine Zeit groß für Aktionen gehabt. Sie sei aber schon auch zu Demos gegangen und habe sich mal an einer Klebeaktion beteilt. Organisiert hätten das jeweils die Chemnitzer oder Nürnberger. Sie habe auch Briefe an Gefangene geschrieben. Thomas S., der eine dominatnte Rolle in der Naziszene von Chemnitz einnahm, habe sie an einem Szenetreffpunkt in die HNG eingeführt. Dort wurden Loose von inhaftierten Neonazis gezogen. Sie habe lange – bis circa 2004 - einem Richard L. und dem Bruder des Angeklagten Holger G, Thomas G., geschrieben.
Mit Thomas G. hatte sich einiges angebahnt, es sei aber nicht zu einer richtigen Beziehung gekommen, weil der ja nur auf Politik fixiert war, sie aber ein ganz normales Leben führen wollte. André E. will sie, nachdem er nicht mehr bei ihr übernachtet habe, nur noch sporadisch auf Konzerten gesehen haben. Infos über André E. habe sie dann vor allem über Matthias D. - einen weiteren beschuldigten Unterstützer des NSU – bekommen. Mit dem habe man ganz normal reden können. Er wäre aber mehr so ein Einzelgänger gewesen.
Mit Christian W. aus Nürnberg sei sie kurzfristig leiert gewesen. Dieser habe sie in die „Fränkische Aktionsfront“ integriert, die später verboten worden sei. Auch habe sie von ihm mal eine Anleitung zum Bombenbau bekommen und er habe sie auf die Idee gebracht, die „Sächsische Aktionsfront“ zu gründen. Über den Rechtsextremisten Matthias F. behauptete er, soviel zu wissen, dass er für immer weggesperrt werden könne.
Wie ihre letzten Adressdaten und Telefonnummer an das Trio gelangten, könne sie sich bis heute angeblich nicht erklären. Eine Möglichkeit wäre, dass entweder der André E., Thomas G. oder der Matthias D. ihre Daten ohne ihr Wissen weitergegeben haben. Mit ihr sei nie darüber geredet worden, dass Menschen umgebracht oder Banküberfälle begangen werden sollten. Sie habe bei der Polizei ja auch freiwillig mitgearbeitet. Dann seien ihr nach und nach immer mehr Beweisstücke vorgelegt worden und dann habe sie nur gedacht „Ach du Scheiße!“. Sie habe dann auch mit Hilfe der Akten und ihrem Anwalt versucht, das alles nachzuvollziehen. Ein Tennisclubausweis auf ihren Namen?: Tennis habe sie nie gespielt. Katzenpässe auf Mandy S.?: Katzen hatte sie nie. Sie habe von nichts gewußt und habe das alles nicht gewollt.
Über Thomas G. kannte sie auch den „Thüringer Heimatschutz“ und die „Nationalen Sozialisten Altenburger Land.“ Wohlleben habe sie mal auf einer Demonstration gesehen. Sonst kenne sie ihn aber nicht. Sie sei sich sicher, dass sie nicht auf einem Foto zu sehen ist, wie sie zusammen mit Zschäpe eine Fahne auf einer Demo trägt. Das müsse eine andere Frau sein. Der Frau unter den drei Untergetauchten könne sie auch mal die Haare geschnitten und möglicherweise auch blondiert haben. Sie wisse noch, dass die schöne Locken gehabt habe.
Sie habe auch mal mit einem Inhaftierten zusammen einen Artikel für das Szene Fanzine „Landser“ mit dem Titel „Einheit der Rechten“ verfasst. Es habe mal eine Situation gegeben, wo sie einen „Fragebogen vom Verfassungsschutz“ hätte ausfüllen müssen. Dort sei sie unter anderem gefragt worden, ob sie selbst auf der Flucht sei, was sie nicht verstanden habe. Auf Vorhalte aus der Akte ergab sich allerdings, dass es sich um einen Fragenkatalog des LKA Thüringen wegen der Fahndung namentlich nach Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos handelte. Um eine vermeintliche Flucht der Zeugin ging es gerade nicht. Mandy S. behauptete weiter, es habe auch zwei Anwerbeversuche des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz gegeben. Einmal hätten sich die Werber als Kripobeamte ausgegeben. Einmal sei eine Frau gekommen und habe sie auf ihre finanzielle Situation und ihre guten Connections in der Szene aufmerksam gemacht. Sie könne sich so viel Geld verdienen. Sie habe die Arbeit für den Verfassungsschutz jeweils abgelehnt.
S. gab an, dass sie gar nicht gewußt habe, um wen es bei den Dreien gehen würde. Der Vorsitzende hielt ihr daraufhin mehrfach eine damalige richterliche Vernehmung von ihr vor. Im Vorfeld wurden ihr laut Akte Fahndungsfotos von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt gezeigt und auch deren Namen genannt, zu denen sie auch konkrete Fragen beantwortete. Auf diesen Vorhalt wollte sie sich nun auf einmal nicht mehr an die Vernehmung erinnern. Es sei irgendwie alles eine Protestsache gewesen, so S. Namen habe sie ja sowieso nicht gekannt. Außerdem habe sie damals auch stellenweise gelogen, wollte einfach ihre Ruhe haben, nichts mehr von diesem „Mist“ hören. Sie habe ja auch Max Florian B. dazu befragt und der hätte gesagt, dass die Drei im Ausland seinen. Deswegen, so die Zeugin, könne die Polizei sie ja auch nicht mehr in Chemnitz suchen. Auf mehrfachen Vorhalt des Vorsitzenden, dass das alles andere als logisch und plausibel ist, meinte S. nur, dass sie dazu nicht mehr zu sagen habe.
Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:
“Mandy S. sagt offenischtlich nicht die volle Wahrheit. Sie kennt ihre Akten – wir nicht. Sie hat sich umfangreich in der Presse informiert. Sie erscheint durchaus clever. Sie war eine entscheinde Figur in der Naziszene sowohl in Bayern, als auch in Sachsen. Sie hatte Kontakte zu vielen Personen im unmittelbarten Umfeld des NSU-Kerntrios. Dass sie sich nun als „Männeranhengsel“ und quasi als arglose Ausgenutzte darstellt, ist nicht ansatztweise glaubhaft. Wir werden versuchen in der weiteren Vernehmung mehr von der Zeugin zu erfahren.“
Auf Fragen der Nebenklage erklärte S., dass am Lagerfeuer besprochen wurde, dass drei Leute aus Jena gesucht wurden, weil die u.a. eine Garage in die Luft gesprengt haben sollen. Sie habe ein schlechtes Gefühl gehabt und dachte nun könne ja jeden Tag die Polizei vor der Tür stehen. Ob andere Leute aus Chemnitz noch Connections nach Thüringen hatten, wisse sie nicht. Allerdings sei sie mit Enrico P. von den „88igern“ mal in Jena mal auf einer Party gewesen. Es sei möglich, dass der mit einem von den Dreien auch mal eine Aktion in der Gedenkstätte des KZ Buchenwald gemacht hätte und dort Hausverbot bekam. Sie habe eigentlich nichts gemacht, was sie nicht wollte. Sie war damals noch eine andere und auch so naiv. "Ausländer haben nichts in unserem Land zu suchen", habe es damals in der Szene geheißen. Das habe sie übernommen. Auf mehrere Vorhalte, dass sie eine Führungsfigur gewesen sei, meinte sie immer nur, dass das nicht stimmen würde. Wer genau was organisiert habe, könne sie nicht sagen. Sie sei ständig von der Polizei kontrolliert worden.
Wir kamen heute nicht mehr dazu, die Befragung zu beenden. Auch deswegen blieben noch viele Fragen offen. Die Vernehmung wird an einem weiteren Verhandlungstag fortgesetzt werden.
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